In der Schweiz verursachen Hochwasser immer wieder Schäden in Millionenhöhe. Bund, Kantone und Gemeinden geben jährlich Hunderte von Millionen Franken aus, um die Bevölkerung und Sachwerte vor ausufernden Seen und Flüssen zu schützen. Die in den letzten Jahren erstellten Gefahrenkarten zeigen in hoher räumlicher Auflösung, wo, wie häufig und wie intensiv Hochwasserereignisse auftreten können. Werden die Gefahrenkarten mit räumlichen Daten zu Bevölkerung, Gebäuden und anderen hochwasserempfindlichen Objekten kombiniert, so lässt sich abschätzen, wo die Schadenschwerpunkte zukünftiger Ereignisse liegen werden.

Bei der Planung von Schutzmassnahmen sind solche Abschätzungen auf lokaler Ebene heute Standard. In den letzten Jahren haben zudem einige Kantone basierend auf den Gefahrenkarten kantonsweite Risikoübersichten erstellt (z.B Zürich, Schaffhausen). Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) wiederum hat schweizweite Auswertungen zu unterschiedlichen Schutzgütern (z. B. Bevölkerung, Beschäftigte, Bauzonen) in potenziellen Überschwemmungsgebieten gemacht (vgl. z. B. Bericht des Bundesrats von 2016 „Umgang mit Naturgefahren in der Schweiz“, Referat „Integrales Risikomanagement ‒ Naturrisiken erfassen, bewerten und steuern“ des BAFU an der Tagung Interpraevent 2016 in Luzern). Diese Auswertungen basieren auf den Überschwemmungsgebieten „Aquaprotect“, welche nicht die feine Auflösung von Gefahrenkarten haben und kleine Einzugsgebiete nicht berücksichtigen. Auch die SBB oder das Bundesamt für Strassen (ASTRA) erstellen Risikoübersichten für ihr jeweiliges Netz.

Trotz dieser Anstrengungen fehlte bisher eine schweizweite, räumlich hochaufgelöste Übersicht der hochwasserexponierten Personen und Gebäude basierend auf den Gefahrenkarten. Diese Lücke füllt das Mobiliar Lab für Naturrisiken mit dem hier präsentierten Tool. Basierend auf den verfügbaren Gefahrenkarten werden pro Gemeinde, Bezirk und Kanton die potenziell von Hochwasser betroffene Bevölkerung, Gebäude und Gebäudewerte dargestellt.
Die verfügbaren Gefahrenkarten (Detailangaben zu allen Datengrundlagen siehe Rubrik Daten) werden schweizweit harmonisiert, zusammengefügt und geometrisch bereinigt. Es entsteht eine Hochwassergefahrenkarte, die lückenlos jedem Gebiet der Schweiz je genau eine der folgenden fünf Angaben zuweist: Gefahrenstufe hoch (rot), Gefahrenstufe mittel (blau), Gefahrenstufe gering (gelb), keine oder Restgefährdung (weiss, gelb/weiss), keine Beurteilung (ausserhalb des in der Gefahrenkarte Hochwasser untersuchten Gebietes). Diese schweizweite Hochwassergefahrenkarte wird mit den Gebäudegrundrissen aus dem hochaufgelösten Landschaftsmodel TLM der swisstopo überlagert. So kann für jeden Gebäudegrundriss die (jeweils höchste) Gefahrenstufe bestimmt werden. Pro Gemeinde, Bezirk und Kanton werden die Anzahl der Gebäude je Gefahrenstufe zusammengezählt. Es resultieren die Gesamtsummen exponierter Gebäude je Gebietseinheit und Gefahrenstufe. Der Anteil hochwassergefährdeter Gebäude errechnet sich aus der Summe der exponierten Gebäude geteilt durch die Summe aller Gebäude.

Weiter wird jedem Gebäudegrundriss aus den adressgenauen Daten der Gebäude- und Wohnungsstatistik GWS des Bundesamtes für Statistik die Anzahl Bewohnerinnen und Bewohner (Hauptwohnsitz) zugeordnet. Ausserdem wird für jedes Gebäude ein Neubauwert berechnet. In diese Werteberechnung fliessen das oberirdische Gebäudevolumen (ermittelt aus den Höhen- und Oberflächenmodellen swissALTI3D und DOM der swisstopo) und die Versicherungssummen aus dem Geschäftsbericht 2015 der jeweiligen kantonalen Gebäudeversicherung ein. Für die Berechnungen in den sieben Kantonen ohne kantonale Gebäudeversicherung wurde ein mittlerer Kubikmeterpreis verwendet. Diese Zusatzinformationen pro Gebäudegrundriss ermöglichen die Berechnung von betroffenen Personen und Gebäudewerten, jeweils als absolute Zahlen und als Anteile.

Für die räumlichen Analysen und Berechnungen werden die Programmiersprachen ‘Python’ und ‘R’ in Kombination mit dem Geographischen Informationssystem (GIS) ‘ArcMap’ eingesetzt. Die Umsetzung in die präsentierten Karten erfolgt mit JavaScript.

Vortrag ‘Den Hotspots des Schadenpotenzials auf der Spur’, Veranstaltung vom 2. November 2016 im Alpinen Museum Bern, Veronika Röthlisberger
Gemäss den kantonalen Gefahrenkarten befinden sich in der Schweiz rund 270'000 Gebäude in Hochwasser-Gefahrengebieten (Stufen ‘hoch’, ‘mittel’ und ‘gering’). Das entspricht einem Anteil von rund 13% aller Gebäude. In den gefährdeten Gebäuden wohnen gut 1,1 Millionen Personen (14,5% der Bevölkerung). Der Neuwert der exponierten Gebäude liegt bei knapp CHF 480 Milliarden oder 17,5% aller Gebäude-Neuwerte.
Der Abdeckungsgrad der Hochwassergefahrenkarten beträgt 73% (Anzahl Gebäude) bis 86% (Personen mit Hauptwohnsitz).

Resultate ganze Schweiz: Anzahl Gebäude (Abdeckungsgrad: 73%)
Alle In Gefahrenkarte erfasst Anteil gefährdeter Gebäude (in %, bezogen auf alle Gebäude)
Maximale Gefährdung [absolute Anzahl] Anteil gefährdeter Gebäude (in %, bezogen auf in Gefahrenkarten erfasste Gebäude)
erheblich (rot) mittel (blau) gering (gelb) keine oder Restgefährdung (weiss oder gelb/weiss) erheblich (rot) mittel (blau) gering (gelb) erheblich (rot) mittel (blau) gering (gelb)
2'086'411 1'528'585 19'785 102'351 151'127 1'255'322 1.29 6.7 9.89 0.95 4.91 7.24


Resultate ganze Schweiz: Gebäude (Neuwert Gebäudestruktur und -ausbau in Mio. CHF, Abdeckungsgrad: 82%)
Alle In Gefahrenkarte erfasst Anteil gefährdeter Gebäudewerte (in %, bezogen auf alle Gebäudewerte)
Maximale Gefährdung [absolute Werte in Mio. CHF] Anteil gefährdeter Gebäudewerte (in %, bezogen auf in Gefahrenkarten erfasste Gebäudewerte)
erheblich (rot) mittel (blau) gering (gelb) keine oder Restgefährdung (weiss oder gelb/weiss) erheblich (rot) mittel (blau) gering (gelb) erheblich (rot) mittel (blau) gering (gelb)
2'750'074 2'241'729 49'754 171'515 255'949 1'764'511 2.22 7.65 11.42 1.81 6.24 9.31


Resultate ganze Schweiz: Anzahl Personen (mit Hauptwohnsitz, Abdeckungsgrad: 86%)
Alle In Gefahrenkarte erfasst Anteil gefährdeter Personen (in %, bezogen auf alle Personen mit Hauptwohnsitz)
Maximale Gefährdung [absolute Anzahl] Anteil gefährdeter Personen (in %, bezogen auf in Gefahrenkarten erfasste Personen mit Hauptwohnsitz)
erheblich (rot) mittel (blau) gering (gelb) keine oder Restgefährdung (weiss oder gelb/weiss) erheblich (rot) mittel (blau) gering (gelb) erheblich (rot) mittel (blau) gering (gelb)
8'057'445 6'960'448 60'825 418'606 684'482 5'796'535 0.87 6.01 9.83 0.75 5.2 8.5


Die User können die Karteninhalte aus folgender Auswahl beliebig zusammenstellen:
  • hohe, mittlere oder geringe Gefährdung
  • Bevölkerung (Anzahl Personen mit Hauptwohnsitz) oder Gebäude (Anzahl und Neubauwert)
  • Absolute Werte (Anzahl bzw. Schweizer Franken) oder Anteile (%)
  • Gemeinden, Bezirke oder Kantone
Weiter kann pro Gemeinde eine ‘Detailanalyse’ aufgerufen werden (via Linksklick auf gewünschte Gemeinde). Darin wird die Gemeinde dem dazugehörigen Bezirk und Kanton sowie der gesamten Schweiz gegenübergestellt.

In den ‘Detailanalysen’ pro Bezirk können die Anteile der verschiedenen Gefahrenstufen pro Bezirk und deren Verteilung auf die Gemeinden, wie auch die Verteilung innerhalb einer einzelnen Gemeinde, dynamisch abgerufen werden. Die ‘Detailanalysen’ pro Kanton erlauben gleichartige Abfragen auf Stufen Kanton – Bezirke.

Vortrag ‘Was befindet sich in den Gefahrengebieten Hochwasser?’, Veranstaltung vom 2. November 2016 im Alpinen Museum Bern, Markus Mosimann
Margreth Keiler, Markus Mosimann (Darstellungen), Veronika Röthlisberger (Berechnungen), Luzius Thomi, Andreas Zischg